Lonis Orchideenforum

RE: Winterharte Epiphyten

#61 von Solanum , 22.05.2024 21:07

Genial, Leo,da sieht man ja die Pflanze vor lauter Blüten kaum noch!


Schöne Grüße,
Heike


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RE: Winterharte Epiphyten

#62 von Christian N , 24.05.2024 07:01

Interessantes Experiment!

Immer wenn ich mich in meiner "grünen Hölle" im GWH frage, wie wohl die heimischen Standorte meiner Orchideen aussehen, taucht auch regelmäßig die Frage auf, ob im Zuge des Klimawandels eine dauerhafte Ansiedlung einiger Arten auch bei uns im Freien möglich wird.

Ich halte als unabdingbare Vorraussetzung für ein Vorkommen in Gebieten, in denen es sporadisch Frost gibt, eine weite Verbreitung der Orchidee.
Damit können an Standorten, die aktuell nicht so stark vom Frost betroffen sind, immer Pflanzen überleben.
Diese sorgen mit ihren Samen für eine Wiederbesiedlung der alten Verbreitungsgebiete.
Die Sache hat nur einen Haken. Vorraussetzung dafür ist das Vorhandensein passender Bestäuber.
Die natürlichen Bestäuber kommen mit dem Klima auch klar. Aber das gilt nur für deren heimatlichen Standorte.

Für eine dauerhafte Ansiedlung subtropische epiphytische Orchideen müssten beide, Pflanze und Bestäuber, in eine völlig neue Umwelt gebracht werden.
Das dauerhafte Überleben darin ist mit so vielen Risiken behaftet, daß ich es für nahezu unmöglich halte.

Es wird also wohl nur bei sporadischem Aussetzen von epiphytische Orchideen bei I'm Freien bleiben.


Gruß
Christian


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RE: Winterharte Epiphyten

#63 von Birgit22 , 24.05.2024 10:36

Hallo Christian,

Sei mir nicht böse, aber ich halte solche Gedanken, Arten gezielt hier anzusiedeln, für schlimm. Es gibt in unserer Natur schon so viele Pflanzen (und Tiere), die ausgesetzt / angesiedelt / ausgebrochen /eingeschleppt worden sind, womit in unserer Natur reichlich Schaden angerichtet wird, der immer schlimmer wird.
Nun ist kaum zu erwarten, dass Orchideen andere Pflanzen zuwuchern oder unmittelbar Lebensraum-verändernd wirken.... aber es können z.B. Krankheiten eingeschleppt werden, gegen die heimische Arten keinen Schutz haben.
Ich finde die Versuche, Orchideen von anderen Kontinenten auch im Garten zu halten, reizvoll. Aber dort sollten sie auch bleiben.
Übrigens: unsere einheimischen Orchideen (und es sind überraschend viele Arten) leben in unterschiedlichsten Lebensräumen. Sie werden immer weniger, weil ihre Lebensräume überformt werden, zu intensive (oder fehlende) Nutzung, zu viel Nährstoffeintrag, zu oft ausgegraben, usw.....

Birgit


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RE: Winterharte Epiphyten

#64 von Christian N , 25.05.2024 09:38

Hallo Birgit,

in meinem Beitrag ging es nicht darum, epiphytische Orchideen bei uns anzusiedeln.
Ich habe ausgeführt, warum meines Erachtens deren dauerhaftes Überleben bei uns nicht möglich sein wird.

Das Experiment ist von Leo mit viel Überlegung angegangen worden und hat zu einem Teilerfolg geführt.
Es schafft einen etwas anderen Blickwinkel auf die Frage, wie wir "kühl" zu haltende Orchideen optimal kultivieren und zur Blüte bringen.
Die erfolgreiche Kultur an geschützten Standorten ausgebrachter epiphytische Orchideen über mehre Jahre würde eine neue Dimension der Orchideenkultur darstellen.

Deine polemischen Ausführungen gehen am Thema vorbei. Böse bin ich Dir deshalb aber nicht.


Gruß
Christian


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RE: Winterharte Epiphyten

#65 von Flori , 25.05.2024 10:53

Ich könnte mir vorstellen das die heizungsfreie Überwinterung einiger subtropischer Orchideen im Erdhaus klappt.


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RE: Winterharte Epiphyten

#66 von Leo H. , 25.05.2024 16:59

Erstmal danke an Alle für eure Beglückwünschungen

Zitat von Christian N im Beitrag #64
Hallo Birgit,
Das Experiment ist von Leo mit viel Überlegung angegangen worden und hat zu einem Teilerfolg geführt.
Es schafft einen etwas anderen Blickwinkel auf die Frage, wie wir "kühl" zu haltende Orchideen optimal kultivieren und zur Blüte bringen.



Danke für die Blumen, aber als "mit viel Überlegungen angegangen" würde ich es nicht bezeichnen. Es war eher ein glückliches Zusammenspiel aus Vergesslichkeit und Wetter.
Ich stimme Christian vollkommen zu. Zumindest bei unserem aktuellen Klima ist es außerhalb von Experimenten mit überschüssigen Pflanzen (noch?) eindeutig zu riskant die, Pflanzen direkt aufzubinden, selbst im milden Ruhrgebiet. Es hat sich zwar gezeigt, dass meine Pflanze relativ frostresistent ist, aber eine bestimmte Wetterlage, die es diesen Winter kaum gab, halte ich für am gefährlichsten: Kalt und nass. Klar, es war kühl und sehr nass, aber ich glaube ein ständiges Abwechseln von Frost- und Tauperioden bei sehr nasser Witterung ist viel kritischer als ein paar knackig kalte Nächte.

Ich denke trotzdem, dass zumindest für meine Pflanze gezeigt werden konnte, dass eine sehr kühle bis kalte Kultivierung im Winter der Pflanzengesundheit und Blühkraft durchaus zuträglich sein kann. Wenn jemand ein fast frostfreies Gewächshaus besitzt (wo im Ernstfall schwere Fröste abgepuffert werden oder lange nasse Perioden umgangen werden können), hat diese Methode den Vorteil, dass man mit minimalem Pflegeaufwand (ich würde sagen, dass man die Pflanze dann zwischen November und den ersten warmen Märztagen kaum bis gar nicht beachten muss) gute Ergebnisse erzielen kann.

Ich würde mich freuen, wenn auch andere Mitglieder oder Mitleser in der Hinsicht kontrollierte Tests machen würden (ich möchte bloß nicht, dass hier jemand Pflanzenkamikaze betreibt), denn was ich hier gemacht habe ich absolut nicht repräsentativ.


Liebe Grüße,

Leo


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RE: Winterharte Epiphyten

#67 von Birgit22 , 25.05.2024 17:30

Allgemein wird ja gesagt, dass entscheidend für das Fehlen von Epiphyten Frost verantwortlich sei (zu lange keine Versorgung). Das Argument scheint mir wenig plausibel, denn auch in Südeuropa gibt es meines Wissens nach keine epiphytischen Orchideen. Aber dort ist vielleicht entscheidend, dass es zu lange Trockenphasen gibt. Hm. Oder die Evolution hat ganz einfach gedacht, dass es das in Europa nicht braucht, denn wenn ich an manche Schluchten auch in SüdEuropa denke: ganzjährig Wasser, hohe Luftfeuchtigkeit, gerne bewaldet.... eigentlich Bedingungen, wo es gehen sollte.

Birgit


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RE: Winterharte Epiphyten

#68 von Leo H. , 26.05.2024 13:24

Epiphyten tauchen in der Entwicklungsgeschichte dann auf, wenn aus durch die epiphytische Lebensweise ein Fitnessgewinn erzielt werden kann.

Meine Theorie:
In den feuchten Tropen bedeutet das, dass so der Zugang zum limitierenden Umweltfaktor Licht verbessert werden konnte. Wasser und die schon vorher knappen Nährstoffe des Waldbodens waren nicht mehr verfügbar und mussten auf andere Weise aufgenommen und u.U. auch gespeichert werden (in den feuchten Tropen ist dies durch den zumindest saisonal heftigen Regen und Speicherorgane sowie die Nährstoffzufuhr über Bakterien, Pilze, Saharastaub, Karnivorie, Symbiosen, etc.)
In den trockenen Tropen ist der limitierende Faktor Wasser. Hier war die epiphytische Lebensweise von Vorteil, um zum Beispiel regelmäßigen Nebel auffangen zu können.

In Europa gibt es meines Wissens wenige stabile Ökosysteme mit so dichtem Bewuchs, dass Licht ein stark limitierender Faktor ist. Außerdem sind unsere Waldböden im Vergleich zu den tropischen sehr nährstoffreich. Und dauerhaft trockene, aber regelmäßig von Nebel eingehüllte Ökosysteme scheinen mir auch eher selten zu sein.

Frost ist meines Wissens nach kein ausschlaggebender Punkt für das Auftreten von Epiphyten, möglicherweise aber für die Artenfülle. Auf dem amerikanischen Kontient findet man eine epiphytische Farnart (Pleopeltis polypodioides) bis in Gebiete, in denen die Winter sehr kalt werden können.

Vielleicht möchte aber ein Biologe oder eine Biologin auch noch etwas dazu sagen


Liebe Grüße,

Leo


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zuletzt bearbeitet 26.05.2024

RE: Winterharte Epiphyten

#69 von Birgit22 , 26.05.2024 15:00

Ich stimme Dir weitgehend zu. Allerdings ist das Argument mit dem Nordamerkanischen Farn kein Beleg, dass ausgeprägte Frostregionen doch geeignet wären, frei nach dem Spruch "Ausnahmen bestätigen die Regel".
Ich bin auch nicht ganz davon überzeugt, dass wir in Europa keine Bedingungen finden können, bei denen eine epiphytische Lebensweise Vorteile bringen könnte. Wälder z.B. sind häufig sehr dunkel, wenn sie Laub tragen, weswegen die meisten Waldblütenpflanzen das zeitige Frühjahr nutzen. Und wenn dann z.B. Lichtungen auftreten, sind schnell andere Arten konkurrenzfähiger.

Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass die letzte Eiszeit noch nicht so lange her ist, da doch viele tropische Wälder mit ihrem unfassbaren Artenreichtum ziemlich "alt" sind.

Vielleicht ist auch ein Grund, dass gleichartige Lebensbedingungen nicht zwingend gleichartige (konvergente) Entwicklungen bei Arten bewirken müssen.

Ich finde die Überlegungen, warum keine Epiphyten in Europa spannend. :-)

Birgit


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RE: Winterharte Epiphyten

#70 von Solanum , 26.05.2024 15:11

Ich finde eure Diskussion auch sehr spannend!


Schöne Grüße,
Heike


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RE: Winterharte Epiphyten

#71 von Leo H. , 26.05.2024 16:53

Hallo Birgit,

Zitat von Birgit22 im Beitrag #69
Allerdings ist das Argument mit dem Nordamerkanischen Farn kein Beleg, dass ausgeprägte Frostregionen doch geeignet wären, frei nach dem Spruch "Ausnahmen bestätigen die Regel".


Da stimme ich dir zu, eine bessere Formulierung wäre "ist kein Ausschlusskriterium". Wenn man es genau nimmt, ist der Farn auch kein Epiphyt (das wären höhere Pflanzen), sondern ein Epiphyll. Epiphylle findet man auch in Mitteleuropa reichlich.

Trotzdem glaube ich, dass es nicht nur am Frost liegen kann. Das unsere Ökosysteme verhältnismäßig jung sind mag ein Faktor sein. Ich bin allerdings weiterhin der Meinung, dass in unserer Region im Laufe der Evolution nicht auf Epiphyten hin ausselektiert wurde, d.h. eine epiphytische Lebensweise (bzw. die Übergangsformen) keinen nennenswerten Fitnessgewinn bedeut hat.


Liebe Grüße,

Leo


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zuletzt bearbeitet 26.05.2024

RE: Winterharte Epiphyten

#72 von Birgit22 , 26.05.2024 22:30

Hallo Leo,

Es ist ein Elend, wir müssten einfach in 100.000 Jahren hier nochmal nachschauen können, was die Evolution so treibt.

Es geht eigentlich weniger um Fitness-Gewinn, sondern um die Frage, wo und wie kann eine Art überleben. Entweder sie ist selbst konkurrenzstark genug, oder sie muss ausweichen (oder sie verschwindet). Nun sind u.a. Orchideen Pflanzen, die in dichter Vegetation kaum Chancen haben. Insofern finden wir sie meist an Orten, wo sie nicht so bedrängt werden. Das müssen nicht die Orte sein, wo sie ihr Wachstumsoptimum haben, aber sie können dort überleben (und sich weiter anpassen), während die sonst konkurrenzstarken Pflanzen es dort nicht schaffen, bzw schwächeln.

Nun müssten wir die Zeit haben zu sehen, wohin die Evolution im Europa geht. Bei den OrchideenArten, die ich aus Europa kennen (was nur ein kleiner Teil ist) wüsste ich nicht, wer epyphytische Anlagen trüge.... aber wer weiß.

Evolution ist was tolles.

Birgit


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RE: Winterharte Epiphyten

#73 von LaoLu , 26.05.2024 22:47

Vieleicht ist an der Bemerkung von Leo was dran, wenn er darauf hinweist, daß in Mitteleuropa für eine Pflanze keine zwingende Notwenigkeit (Lichthunger) bestand, siich epyphytisch zu entwicklen.

Uwe


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RE: Winterharte Epiphyten

#74 von Birgit22 , 26.05.2024 23:06

Hallo Uwe,

klar kann das sein. Aber denk mal an einen ordentlichen Buchenwald, und wie dünn die Vegetation am Boden ist wegen des fehlenden Lichtes...

Aber wenn ich mir vorstelle, dass die letzte Eiszeit grad mal vor 10.000 Jahren zu Ende ging und dann die Bäume im wesentlichen wieder einwandern mussten und sich erst nach und nach wieder Wälder gebildet haben.... selbst wenn also theoretisch die gemäßigten Breiten für epiphytische Pflanzen in Frage kämen..... dann wäre die Zeit doch recht kurz für solche evolutionären Entwicklungen.
Und südlich der Alpen.... hm, da weiß ich nicht genug über Klima und Vegetation während der letzten Eiszeit.

Und Lichtmangel ist wahrscheinlich nur ein Aspekt für epyphytische Entwicklung, ein anderer kann z.B. fehlender Konkurrenzdruck sein.

Birgit


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