Lonis Orchideenforum

vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#1 von Jesse , 18.02.2017 00:42

Hallo Orchideenfreunde,

ich bin neu hier und habe zum Einstieg eine möglicherweise etwas knifflige Frage:

Kennt sich jemand mit der Genetik/ Vererbung panaschierter Orchideen aus? Genau genommen interessiert mich die Möglichkeit/ Chance einer generativen Vererbung der Panaschierung einer Phalaenopsis-Hybride sp. 'marginata', also einer Pflanze mit am Rand weiß panaschierten Blättern.

Bei der Betrachtung der Blätter solcher Pflanzen gewinne ich den Eindruck, dass die chlorophylfreie Zellschicht offenbar in der Tiefe liegt und größtenteils von einer grünem Zellschicht überlagert ist, nur im Randbereich des Blattes tritt sie sichtbar zutage. Darum halte ich diese Form der panaschierten Orchidee für eine Periklinalchimäre mit mutierter L2-Schicht. Kann dies jemand mit Zuchterfahrung bestätigen oder irre ich mich da?

Wie sieht es mit der generativen Vererbung aus, wie groß wäre die Chance, dass diese Panaschierung bei einer Bestäubung einer Phal. sp. 'marginata' mit dem Pollen einer nichtpanaschierten Orchidee weitergegeben wird? Bzw. falls meine Annahme zutrifft: Aus welcher Zellschicht bilden sich die Keimzellen der Pflanze, ist die L2-Schicht an der Bildung beteiligt?

Neugierige Grüße,
Jesse


Gruß, Jesse


Jesse
Jesse
Mitglied
Beiträge: 118
zuletzt bearbeitet 18.02.2017

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#2 von Regelian , 18.02.2017 19:24

Jesse, panschiertes Laub ist, im Algemeinem, weiblich vererbt. Die mutationen sind in den Mitochondrial DNS gefunden. Dies guilt bei alle Pflanzen (z.Z.). Die Mutationen können auf verschiedene Genen sein und sind typisch einfach ressesiv. Es gibt etliche 'panschiert' mutationen auf verschiedene Allelen. Genaueres weis ich nicht, leider. Für weitere Infos könnte ich Hosta als mögliche Quelle empfehlen.

beste Gluck,

Jamie V.


Regelian
Köln


Regelian
Regelian
Besucher
Beiträge: 164

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#3 von Jesse , 18.02.2017 21:38

Hi Jamie,

woher kommst du, ist eine deutsche Unterhaltung okay für dich oder wäre englisch besser? :-)

Ich denke auch, dass die Panaschierung nur von den weiblichen Pflanzen weitergegeben wird. Allerdings dachte ich, das die weiße Färbung immer durch einen Ausfall des Chlorophylls hervorgerufen wird. Dann müsste die Panaschierung über die DNA der Chloroplasten vererbt werden. Ob Mitochondrien oder Chloroplasten wäre aber egal, die Vererbung wäre in jedem Fall extrachromosomal, denn Chloroplasten und Mitochondrien werden komplett von der weiblichen Keimzelle weitergegeben. Allerdings ist ein extrachromosomal vererbtes Merkmal nach meinem Verständnis deshalb auch immer dominant. Die Frage ist nach meiner Ansicht, ob die mutierte Zellschicht an der Bildung der Keimzellen überhaupt beteiligt ist, da es sich bei der mehrfarbigen Merkmalsausprägung nach meiner Ansicht um Chimärie handelt. (?) Deutsche Quelle z.B. in Kuckuck, Kobabe et Wenzel: Grundzüge der Pflanzenzüchtung (1985). de Gruyter.

Hast du ein paar konkrete Literaturtips für mich?

VG, Jesse


Gruß, Jesse


Jesse
Jesse
Mitglied
Beiträge: 118

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#4 von Regelian , 18.02.2017 23:07

Jesse, nun, ich bin doch Englander, aber, wenn Du mein Deutsch folgen kannst, ....

Nun, von was ich darüber verstehe, Du hast es richtig erkannt. Die Mitochondria/Chlorplasten (cytoplasm) müssen die träger sein.

Ich habe panschierte Kreuzung in Hosta vorgenommen und die Vererbung ist hier nicht dominant. Alle Nachkommen waren gleichtönig Grün. Keine panschierte. Nun, mit Aucuba die Nachkommen sind wie die Mutter, aber durch Apomixis. Kein Vater is nötig. In Hosta ist oft von Chimären gesprochen, weil die Variationen nicht immer stabil sind. Das Gleiche findet man in Hemerocallis. In manche Kreuzungen habe ich 25% Chlorophyll-freie Sämlinge. Natürlich, die gehen ein. Was ich interessant hier finde ist, es passiert fast immer in Purpur x Purpur Krezungen, also hohe Anthocyanin. Ab und zu gibt es eine Sämling mit fast Weiße Blühten unter den Nachkommen. Wie das alles funktioniert ist mir unklar, aber, die Panschierung ist irgendwie dazu verbunden. Vielleicht haben wir multiple Allelen, die als Gruppe vererbt werden. Wir wissen, daß die meiste panschierte Orchideen wieder vollig Grün werden können, was noch mal von eine Chimära spricht. Ein Genom gewinnt, manchmal nur kurz. Eine Art Epigenetic?

Ich weiß, daß alles hilft wenig. Obwohl Genetic ist mein Steckenpferd, Panschierung hat mich nie besonders interessiert. Ich finde die manchmal unter meine Sämlinge und möchte eine bessere verständnis gewinnen. Was ich in Bücher daruber gelesen habe ist nie definitiv, aber jemanden muß mehr wissen. James Wilkins hat etwas darüber in Hostas geschrieben (1994), auch ein Kapitel in Breeding Ornamental Plants (Callaway 2000). Sollte ich noch was finden, lasse ich Dir bescheid.

Jamie V.


Regelian
Köln


Regelian
Regelian
Besucher
Beiträge: 164

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#5 von Jesse , 19.02.2017 01:13

Hallo Jamie,

ich kann deinem Deutsch gut folgen, danke. :-) Was du von der Hosta-Kreuzung schreibst, schließt Chimärie nicht aus. Nach Kuckuck et al. ist das pflanzliche Gewebe aus drei Schichten aufgebaut, L1 (Dermatogen), L2 (Subdermatogen) und L3 (Corpus). Bei einer Mesochimäre, für die ich die Phal. sp. 'mariginata' halte, besteht die unter dem Deckgewebe liegende L2-Schicht aus chlorophyllfreien Zellen. Wenn nun - rein theoretisch - das mutierte Subdermatogen nicht an der Bildung der Keimzellen beteiligt ist, bestehen diese nur aus nicht mutierten Zellen. Daher enthalten auch die daraus hervorgehenden Nachkommen kein mutiertes Gewebe und sind vollständig grün. Das wäre nachvollziehbar. Es handelt sich dann aber nicht um rezessive Vererbung, weil die mutierten Zellen der Chimäre von der Vermehrung prinzipiell ausgeschlossen sind.
Nur wenn die chlorophyllfreie L2-Schicht die Keimzellen bildet, wäre eine Vererbung der Panaschierung aus meiner Sicht möglich. Allerdings müssten dazu auch die mutierten Zellen noch einige funktionstüchtige/ nicht mutierte Chloroplasten enthalten, so dass bei der Zellteilung zufällig wieder chlorophyllhaltiges Gewebe entstehen kann (Theorie s. hier: http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/...L/chapter1.html). Bei 100% mutierten Chloroplasten würden auch zu 100% chlorophyllfreie Sämlinge entstehen, egal ob befruchtet oder apomiktisch. Die männlichen Gameten vererben ja nur die Kern-DNA, oder ist das bei Pflanzen anders?

Vermutlich ist das alles weit komplexer und es gibt mehrere genetische Mechanismen für Panaschierungen. Deine Beobachtungen an Hemerocallis passen nicht zu meiner Chimären-Theorie. Alle anderen Beobachtungen würden sich damit erklären lassen, aber eben formal auch auf andere Weise, über rezessive chromosomale Erbgänge... Als Hobbyist habe ich keine Nerven, hier mehrere Generationen zu kreuzen und rückzukreuzen, gerade bei Orchideen...ich will das Ergebnis ja selbst noch erleben. :-)

Vielen Dank für die Literaturempfehlungen, ich werde danach Ausschau halten. Und wahrscheinlich werde ich versuchen, mal ein, zwei Exemplare der panaschierten Phalaenopsis zu bestäuben. Aber falls es klappt, weiß ich jetzt schon dass alle grün sein werden und ich habe keine Ahnung wieso...

Vielen Dank & lieben Gruß,
Jesse


Gruß, Jesse


Jesse
Jesse
Mitglied
Beiträge: 118
zuletzt bearbeitet 19.02.2017

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#6 von Bernd , 16.03.2019 21:14

Hallo @Jesse

Mal keine Theorie, sondern Praxis.
Schon seit Jahren versuche ich panaschierte Phal. amabilis generativ zu vermehren.
Alle Pflanzen haben panaschiertes Laub, und kommen aus verschiedenen Quellen.
Mal keimt nichts, dann keimt nur wenig, geht aber bald wieder ein.
Wenn dann doch Sämlinge überleben haben sie überhaupt kein Chlorophyll. Sind also nur im Glas lebensfähig.
Nach ca. 20 Aussaaten habe ich dieses Jahr zwei Pflänzchen, die auch wieder panaschiert sind, in einem Glas gefunden.


Liebe Grüße
Bernd


Bernd
Bernd
Mitglied
Beiträge: 1.172

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#7 von Jesse , 17.03.2019 21:50

Hallo @Bernd

ich habe jetzt eine Weile nicht reingeschaut, was für ein witziger Zufall...

Es scheint nach meiner Recherche wirklich Zufall zu sein, ob grüne, chlorophyllfreie oder panaschierte Pflanzen aus den Samen einer panaschierten Mutterpflanze entstehen. Bilden sich die Samenanlagen aus weißem Gewebe mit defekten Chloroplasten, haben auch die Sämlinge kein Chlorophyll. Aus grünen Zellen, die intakte und defekte Chloroplasten enthalten, können sowohl grüne als auch panaschierte Pflanzen entstehen. Panaschierte Pflanzen entstehen dann nur, wenn eine 'gemischte' Zelle bei der ersten Zellteilung an eine der Tochterzelle zufällig nur defekte Chloroplasten weitergibt, an die andere auch intakte, und sich aus diesen Tochterzellen dann die verschiedenen Gewebeschichten bilden. Damit müssten panaschierte Pflanzen in deutlicher Unterzahl entstehen. Wenn sich zwischen 99% chlorophyllfreien Sämlingen ein oder panaschierte befinden, müssten in diesen Pflanzen wohl einige der defekten Chloroplasten die Fähigkeit, Chlorophyll zu entwickeln, sekundär wiedererlangt haben.

Ich habe im letzten Sommer zwei Kreuzungen mit der panaschierten Sogo Vivien (mit schilleriana und Golden Beauty) gemacht und die Samen nach Quedlinburg zur Aussaat eingeschickt. Beide Kreuzungen sind offenbar gut gekeimt und wurden erst vor Kurzem umgelegt. Offenbar war dabei keine Panaschierung zu erkennen. Ich bin mal gespannt und werde Bescheid geben, wenn ich die Pflanzen erhalte.

LG zurück, Jesse


Gruß, Jesse


Jesse
Jesse
Mitglied
Beiträge: 118

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#8 von Bernd , 17.03.2019 23:07

Ich versuche mal ob ich ein Bild von den beiden panaschierten Sämlingen hinbekomme Jesse.
Da das Glas beschlagen ist wird das nicht leicht.
Die Samenkapseln waren bei allen Pflanzen nicht panaschiert.
Letztendlich ist das ja ein Genfehler, und wie der dann weitervererb wird kann ich nicht sagen.
Ich bin kein Theoretiker, sondern ein Praktiker. Versuch macht klug.
Jedenfalls ist die Erfolgsquote neue panaschierte Pflanzen zu erzeugen sehr gering.
Dieses Jahr wollte ich eigentlich mit den sinnlosen Versuchen aufhören, aber da es nun 2 panaschierte Sämlinge gibt habe ich es doch wieder getan.
Aktuell habe ich auch Pollen einer nicht panaschierte Phal. equestris verwendet, mal sehen was dabei raus kommt.
Andere panaschierte Multinopsen setzen erst gar keine Samenkapseln an. Aber auch da versuche ich es immer wieder.


Liebe Grüße
Bernd


Bernd
Bernd
Mitglied
Beiträge: 1.172

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#9 von jens , 17.03.2019 23:31

Wie machen das denn die Asiaten bei ihren panaschierten Neofinetia's, Bernd?
Oder ist das was anderes!


Gruß Jens


jens
jens
Mitglied
Beiträge: 15.145

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#10 von Bernd , 22.03.2019 21:21

Die Asiaten werden die panaschierten Neofinetia's wohl als Meristem vermehren @Jens.
Bei meinen panaschierten Phals. verändert sich auch immer mal wieder die Zeichnung der Blätter. Das ist
wohl eher Zufall, wie der Genfehler das Blatt aussehen lässt.
Das sind die ersten panaschierten Phal. Sämlinge die ich bei den ganzen Aussaaten erzeugen konnte.

Alle anderen haben kein Chlorophyll.


Liebe Grüße
Bernd


Bernd
Bernd
Mitglied
Beiträge: 1.172

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#11 von Jesse , 06.06.2019 21:45

So, die Jungpflanzen der panaschierten Phal. Sogo Vivien sind da. Die Kreuzung mit der Phal. schilleriana ist leider nichts geworden, dafür habe ich von zwei separaten Kreuzungen mit der Phal. Golden Beauty Massen an bildschönen Jungpflanzen bekommen. Nur panaschiert ist leider keine davon, bei mir sind alle grün geworden...

Ansatz 1

Ansatz 2


Gruß, Jesse


Gruß, Jesse


Jesse
Jesse
Mitglied
Beiträge: 118
zuletzt bearbeitet 06.06.2019

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#12 von Solanum , 06.06.2019 23:39

Niedlich sehen sie aus! Toitoitoi für die weitere Pflege!


Schöne Grüße,
Heike


Solanum
Solanum
Administratorin
Beiträge: 10.614

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#13 von Jesse , 07.06.2019 18:38

Melde dich gern, wenn sie dir so gut gefallen...ich muss nicht unbedingt alle 100 Pflanzen selber groß ziehen.

Danke & Gruß, Jesse


Gruß, Jesse


Jesse
Jesse
Mitglied
Beiträge: 118

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#14 von Solanum , 07.06.2019 22:16

Danke, aber ich hab leider kein Händchen und auch wenig Geduld für Sämlinge


Schöne Grüße,
Heike


Solanum
Solanum
Administratorin
Beiträge: 10.614

RE: vegetative Vererbung der Panaschierung bei Phal. sp. marginata

#15 von Jesse , 16.09.2019 11:51

Update: Meiner neuen Kreuzung geht es gut. Sehr robust und wachsen wie die Pest:




Nur mit welchem Namen soll ich sie anmelden... Vivigold?

Grüße, Jesse


Gruß, Jesse


Jesse
Jesse
Mitglied
Beiträge: 118


Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz